OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08. Mai 2015 – I-22 U 11/15, 22 U 11/15 –, juris
Leitsatz
1. Eine Untersuchung i.S.v. § 377 Abs. 1 HGB hat zu erfolgen, soweit sie nach einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang tunlich, d.h. aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalles dem Käufer zumutbar ist. Was in diesem Sinne tunlich ist, bestimmt sich objektiv unter Berücksichtigung von Branche, Groß- bzw. Kleinbetrieb, Fachbetrieb bzw. Nichtfachbetrieb; die subjektiven Fähigkeiten des Käufers sind insoweit unerheblich. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Untersuchung dürfen im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung einerseits nicht überspannt werden; andererseits entbinden auch Schwierigkeiten der Entdeckung eines Mangels nicht von der Untersuchungspflicht.
2. Zu beachtende Umstände des Einzelfalls sind insbesondere die Kosten, der technische bzw. organisatorische Zeitaufwand, eine etwaige Beschädigung der Sache, das Erfordernis technischer Kenntnisse, besonderer Vorkehrungen oder der Hinzuziehung eines Sachverständigen, die Gefährlichkeit der Untersuchung bzw. hohe Schäden bei bestimmungsgemäßer Verwendung, insbesondere für Leib und Leben. Maßgeblich sind auch Verkehrsanschauungen in der Branche und Handelsbräuche.
3. Bei Lieferung größerer Warenmengen können auch Stichproben genügen.
4. § 377 HGB ist im Interesse der im Handelsverkehr unerlässlich schnellen Abwicklung der Handelsgeschäfte streng auszulegen.
5. Grundsätzlich muss der Käufer aufgrund seiner Kaufmannseigenschaft die Ware einer genauen Untersuchung unterziehen, auch wenn diese zeitraubend und/oder tatsächlich oder technisch schwierig ist und ggf. sogar besondere betriebliche Einrichtungen und Fachkenntnisse voraussetzt. Der Käufer als Kaufmann ist in jedem Fall verpflichtet, die Untersuchung mit fachmännischer Sorgfalt durchzuführen, selbst wenn der Verkäufer eine Garantie i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB übernommen hat.
6. Fehlen dem Käufer die erforderlichen Sachkenntnisse, muss ggf. ein Sachverständiger oder eine sachkundige Person hinzugezogen werden.
Orientierungssatz
1. Einem großen Fachbetrieb für den Verleih von Festzelten obliegt die Untersuchungspflicht von Haltedornen bzw. von der Anordnung der entsprechenden Öffnungen in den Bodenplatten bzw. von der Kompatibilität der neuen Bodenplatten mit bereits vorhandenen Bodenplatten, wenn die Kompatibilität der neuen Zeltmaterialien mit den vorhandenen Zeltmaterialen sowohl in technischer, insbesondere transportbezogener Hinsicht (Stapelbarkeit auch bei Mischung der alten und neuen Bodenplatten) Vertragsinhalt bzw. zumindest Vertrags- bzw. Geschäftsgrundlage war.
2. Der Käufer trägt die volle Darlegungs- und Beweislast für die Rechtzeitigkeit einer Mängelrüge i.S.v. § 377 HGB.